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Factsheet zur Schweizer Friedensinitiative für Nagorno-Karabach

Hintergrund

Im September 2023 eroberte Aserbaidschan das umstrittene Gebiet Bergkarabach. Dabei wurde rücksichtslos Krieg gegen die armenische Zivilbevölkerung geführt. Durch Aushungern und Gewalt wurden 100’-120'000 Armenier zur Flucht gezwungen. Der Sachverhalt wurde durch Berichte des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und des Freedom House bestätigt.

Die Vertreibung der Bergkarabach-Armenier hat in der Schweiz grosse Betroffenheit ausgelöst. Beide Kammern des Schweizer Parlaments stimmten deshalb mehrheitlich (Liste der Unterstützer) für die Motion 24.4259. Sie beauftragt den Bundesrat, ein internationales Friedensforum zum Bergkarabach-Konflikt zu organisieren, um «einen offenen Dialog zwischen Aserbaidschan und Volksvertretern der Bergkarabach-Armenier zu ermöglichen, der unter internationaler Aufsicht oder in Anwesenheit international relevanter Akteure geführt wird, um die sichere und kollektive Rückkehr der historisch ansässigen armenischen Bevölkerung zu verhandeln.»


 

Verstoss gegen das Völkerrecht
 

  • Die Vertreibung der Bergkarabach-Armenier ist ein schwerer Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht. Das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) listet auf seiner Webseite zum humanitären Völkerrecht «Angriffe auf die Zivilbevölkerung» und die «rechtswidrige Vertreibung der Zivilbevölkerung» explizit als Kriegsverbrechen.

  • Die Vertreibung der Bergkarabach-Armenier verletzte zwei verbindliche Anordnungen des IGHs. Der IGH stellte nach der Vertreibung zudem in der verbindlichen Anordnung vom 17. November 2023 fest, dass Aserbaidschan «sicherstellen muss, dass Personen, die Berg-Karabach nach dem 19. September 2023 verlassen haben und nach Berg-Karabach zurückkehren möchten, dies auf sichere, ungehinderte und zügige Weise tun können.»

  • Die Bevölkerung lebte vor der Vertreibung in der de-facto Republik Arzach, die trotz fehlender Anerkennung völkerrechtlich geschützt war. Aserbaidschan hat durch Blockade, Gewalt und Vertreibung gegen diese Schutzpflichten verstossen. In solchen Fällen überwiegt gemäss Völkerrecht das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Bevölkerung die territoriale Integrität des Angreifers.
     

 

Warum konnten die Flüchtlinge bis jetzt nicht zurückkehren?
 

  • Obwohl Aserbaidschan behauptet, die Rückkehr von Binnenvertriebenen zuzulassen, gibt es bislang keine Belege für Mechanismen oder Garantien, die eine sichere, freiwillige und menschenwürdige Rückkehr gewährleisten.

  • Die Tatsache, dass das Thema Rückkehr aus den bilateralen Verhandlungen ausgeklammert wurde, unterstreicht die Dringlichkeit, alternative Wege der Repräsentation zu finden. Im jetzigen Zustand, ohne internationales Friedensforum, befindet sich die betroffene Bevölkerung in einem Vakuum ohne Mitspracherecht bei der Gestaltung der eigenen Zukunft.

  • Ohne Hilfe besteht die Gefahr, dass diese Menschen dauerhaft entwurzelt werden, ihre kulturelle Identität ausgelöscht wird und ihre Notlage in Vergessenheit gerät. Dies zuzulassen, würde die internationalen Prinzipien der Gerechtigkeit und der Menschenrechte untergraben.

  • Aserbaidschan kümmert sich auch nicht um die 120'000 armenischen Flüchtlinge, weil es damit rechnet, dass diese in den Westen – auch in die Schweiz – auswandern werden. Es kann nicht sein, dass die Schweiz Regimes dabei unterstützt, wie ganze Bevölkerungsgruppen vertreiben und gleichzeitig die Kosten für Entwicklungshilfe und Migration auf den Westen abwälzen. Die Schweiz und Europa müssen den Staaten der Region signalisieren: Die Probleme müssen dort gelöst werden, wo sie verursacht werden.
     

 

Warum braucht es internationale Vermittlung?
 

  • Die Forderung der Karabach-Armenier nach Rückkehr kann nur durch internationale Vermittlung ermöglicht werden. Bilaterale Verhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan bieten angesichts der drohenden militärischen Eskalation keine Alternative. Während Aserbaidschan in der Position des (militärisch) Stärkeren weitere Forderungen an Armenien stellt, ist es für die Republik Armenien nicht möglich, das Rückkehrrecht der Armenier nach Berg-Karabach zu fordern, ohne weitere Aggressionen zu riskieren.
     

 

Warum eignet sich die Schweiz für die Vermittlerrolle?
 

  • Vertreibungen und Eroberungspolitik dürfen nicht Teil der internationalen Ordnung sein. Gemäss den Leitlinien der Schweizer Aussenpolitik setzt sich die Schweiz für «die Einhaltung des humanitären Völkerrechts in konkreten Konfliktsituationen ein.» Mit den guten Diensten und der Mediation stehen der Schweiz zwei Instrumente zur Verfügung, um friedensstiftend tätig zu werden und gleichzeitig die Rechte der vertriebenen Bevölkerung zu schützen.

  • Die Schweizer Vermittlung steht im Einklang mit der Tradition der guten Dienste und der Neutralität. Im Zürcher Abkommen 2009 vermittelte die Schweiz zwischen der Türkei und Armenien zur Wiedereinrichtung bilateraler Beziehungen. Ein Verzicht auf das Angebot der guten Dienste stünde im Widerspruch zum bisherigen Handeln und zu den Schweizer Gesprächsangeboten im Nahostkonflikt und im Russland-Ukraine Krieg. Es würde vom Ausland zurecht als Parteilichkeit verstanden werden und würde die Glaubwürdigkeit der Schweizer Aussenpolitik beschädigen.

  • Die Schweiz kann als neutraler Akteur auftreten, denn ihre wirtschaftlichen Interessen sind von den Vermittlungsbemühungen kaum betroffen. Aserbaidschan rangiert auf der Liste der Handelspartner der Schweiz nur auf Platz 91. Das Handelsvolumen mit Armenien belief sich 2022 auf nur 70 Millionen CHF.

  • Die Schweiz geniesst in der Region wie auch international grosses Vertrauen – ein entscheidender Vorteil für erfolgreiche Vermittlungsarbeit.
     

 

Was verbindet die Schweiz mit Nagorno-Karabach?
 

  • Die Schweiz und Armenien verbindet eine tiefe Völkerfreundschaft, die in die Zeit der Christenverfolgungen im 19. Jahrhundert und den Armenier-Genozid zurückreicht. Christliche Minderheiten sind aktuell leider nicht nur im Kaukasus wieder verstärkten Verfolgungen ausgesetzt, sondern auch im Nahen Osten und Afrika. Islamistische Bewegungen und Diktaturen bedrohen ihre Existenz. Die Fürsprache der westlichen Länder ist eine Notwendigkeit, um die Christen nicht Vernichtung und Flucht auszusetzen.

  • Die Schweiz engagiert sich bereits in der Region. Die Schweizer Entwicklungshilfe nach Armenien und Aserbaidschan beläuft sich in den Jahren 2022-25 auf über 30 Mio. CHF. Im Sinne einer kongruenten Aussenpolitik sollte die Schweiz nicht nur finanziell zur Stabilisierung der Region beitragen, sondern auch seine Vermittlungsbemühungen anbieten.
     

 

Warum ist die Deeskalation wichtig?
 

  • Es gibt begründete Befürchtungen, dass der Krieg und die ethnischen Säuberungen sich auch gegen das Staatsgebiet Armeniens richten könnten und damit eine Wiederholung des Armenier-Genozids droht. Ein solcher Fall würde eine Massenflucht auslösen – auch in die Schweiz. Die Schweiz hat deshalb ein grundlegendes Interesse an einer stabilen Kaukasusregion.

  • Ein nachhaltiger Frieden ist nur möglich, wenn die Rückkehr der Vertriebenen gesichert und künftige Eskalationen verhindert werden. Die Schweizer Initiative stärkt das Völkerrecht, wirkt deeskalierend und signalisiert, dass ethnische Vertreibungen nicht folgenlos bleiben.

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